Rasende Autos und Bleiwolken. Auf dem Weg von Osh Richtung Jalal Abad ist die Hoelle los. Die Strasse hat kein Ende. Ein Lieferwagen pufft vorbei. Schwarze Aufschrift, gelber Grund: “Kuehler und Lueftungen”. Altschrott aus Deutschland. Auf dem Nummernschild stehen die Buchstaben APK. APK fuer Apokalypse? Die Strasse hat kein Ende. Zwei Bunker kleben am Hang ueber einem See und markieren die Grenze zu Usbekistan. Die Strasse fuehrt daran entlang, windet sich ueber einen Huegel. Der Himmel ist grau. Es beginnt zu nieseln.
Wir radeln weg von der Hauptstrasse, Richtung Sary Chelek Reservat. Die Landschaft aendert. Taeler, Huegel, erste Tannen an den Haengen. Beim letzten Dorf vor dem Bergsee versuchen wir Pferde zu organisieren, um mit Sack und Pack und den zwei Velos in sechs Tagen quer durch die Talas Berge zu trekken. Der Versuch schlaegt fehl, aber wir lassen uns nicht entmutigen, fahren zwanzig Kilometer zurueck und versuchen es im Nachbartal. In Kussut Koel finden wir den jungen Ulan und sein Vater. Sie haben schon mehr Touristen durch die Region gefuehrt. Bereits am naechsten Morgen koennen wir starten. Es ist nicht einfach, Gepaeck und Fahrraeder auf die fuenf Pferde zu packen, so dass auch noch Platz zum Reiten bleibt. Aber am Ende schaffen wir es. “Kak Aeroplan”, meint Ulan lachend, als das Packpferd zum Abmarsch bereit ist. Ja, das Tier sieht wirklich aus wie ein Jumbo vor der Landung.
Schweizer Nationalpark, tagelang: Glasklare Bergseen, wilde Taeler, Tannenwald. Die Sonne treibt das Harz aus den Staemmen, es duftet nach Heimat. Die dampfenden Pferde erklimmen den naechsten Pass. 4000 Meter, weisse Gipfel, schroffe Felswaende. Weit unten ist die Jurte geblieben, die Schafe sind nur noch Tupfer, die Stuten rote und schwarze Kleckse auf dem braunen Lawinenkegel. In der Ferne zieht eine Wolkenwand vorbei. Schneeflocken wirbeln ueber den Grat. Waehrend dem ganzen Anstieg begleiten uns eine Familie Bartgeier und zwei Adler.
Die Nachmittagsstunden werden kalt. Schneeregen treibt die Daemmerung voran. Wir erreichen ein weiteres Schaflager, beschliessen hier zu rasten. Unsere beiden Begleiter freuen sich auf das Fleisch zum Nachtessen. Noch haengt es am Trockengestell, wo es fuer den Winter geraeuchert wird. Ulans Vater lacht, greift zum Beil, zerhackt Knochen und Fleisch. Schon bald wabbert der scharfe Geschmack von Schaf, Fett und Mark durchs Zelt. Zum Glueck ist es dunkel, als wir unsere Portion ueberreicht bekommen.
Wir radeln ueber den frisch verschneiten Tanimas Pass. Ein Bilderbuch liegt aufgeschlagen vor uns: Glitzernde Huegel, der Rauch einer einzelnen Jurte kriecht den Hang empor, wie cremige Sahne zeichnet er weisse Strudel in den blauen Himmel. Die Tuer oeffnet sich, eine Frau kippt dampfendes Wasser auf den Boden. Langsam steigen wir an, die Jurte verschwindet hinter der naechsten Kurve. Wolken ziehen den Haengen entlang verhuellen den Pass. Es weht ein schneidender Wind. Klirrende Kaelte.
Am 10. September sehen wir unseren ersten Wolf. Es haette auch ein Hund sein koennen, der da zweihundert Meter vor unserem Zelt vorbeihuschte. Darum bleibt die Kamera in der Tasche und wir witzeln ueber unsere bluehende Fantasie. In der Nacht heult es von den naheliegenden Huegeln. Verblueffung und Faszination. Wir lauschen in die Nacht. Ein zweites Tier antwortet. Ein Esel bruellt. Dann ist es still. Hat sich da eine Prise Unbehagen ins Zelt geschlichen? Unsere Haut prickelt, das Gefuehl eines kleinen Jungen, der das erste Mal alleine den Keller betritt. Zum Glueck gibt es hier so viel “leckeres” Schaffleisch...
Song Koel. Schon der Name klingt nach Weite. Der Kontrast zu den Waeldern und engen Taelern um Talas koennte nicht eindruecklicher sein. Weite Hochgebirgssteppe, eingerahmt von Bergen. Und in der Mitte wie ein blaues Wunder der See. Pferde- und Schafherden ziehen vorbei. Enige Jurten stehen noch, doch die meisten Kirgisen, welche hier den Sommer verbringen, haben ihr Hab und Gut bereits zusammengepackt und sind in die waermeren Taeler gezogen. Das Wetter ist jetzt unberechenbar geworden, strahlende Herbsttage wechseln mit stuermischem Schneegestoeber. Es wird nicht mehr lange dauern, und die vier Pisten, welche ueber spektakulaere Passe auf das Hochplateau fuehern, werden nicht mehr passierbar sein.
Der Herbst haengt im Tal, tobt sich aus, tanzt um die Baeume. Er bleibt an Birkenaesten und Straeuchern haengen, reisst sein buntes Kleid an den Spitzen des Sanddorn in Fetzen. Orange, gelb, rot. Goldene Tage fuehren uns entlang des Naryn Flusses und weiter ueber den wilden Tosor Pass zum zweitgroessten Gebirgssee der Welt, dem Issyk Kul. Karakol wird fuer uns zum Ausgangspunkt einer weiteren Wanderung. Hoch hinauf an den Fuss des vergletscherten Piz Karakols, an Bergseen vorbei und ueber Paesse zu den heissen Quellen von Altyn Arashan. Wir sind das Laufen nicht mehr gewohnt, holen uns einen kraeftigen Muskelkater und wunde Fuesse. Es ist ein gutes Training fuer das kommende Abenteuer, dem wir schon seit zu Hause entgegenfiebern: Dem Trekking zum maechtigen Inylchek Gletscher, in das Reich des Bergriesen Hahn Tengri.
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