Puna Projekte

Vorbereitung  „Ah, mucha arena, mucha caminata, mucho viento!“ klagt einer der beiden argentinischen bici-expedicionistas im youtube Video. Ja, es sieht sehr sandig aus, mehr als die Hälfte des Weges von Fiambala hoch über den Paso de Buenaventura und weiter am Vulkan Galan vorbei bis zum Salar del Hombre Muerto scheinen die beiden ihre Bikes zu schieben. Und der Wind... nun, es ist halt Puna... und wir hätten ihn von Norden her kommend ja mehrheitlich im Rücken... Drei Tage wälzen wir das Projekt im Kopf, bevor wir uns ernsthaft auf die Suche nach Informationen machen. Schwierig, denn eigentlich gibt es abgesehen vom youtube Video keine. Nicht einmal die Bildersuche über google zeigt viel an. Per Zufall stossen wir schliesslich auf die Viajeros mapa, eine Digitalkarte von und für 4x4 Fahrer, die den weissen Fleck auf unserer Landkarte ziemlich genau kartografiert. Wir sehen, dass es zumindest wassermässig kein grosses Problem wäre. Alle 40-60km kämen wir an einer Vega mit Süsswasser vorbei. Mit einem GPS-Track und einem Höhenprofil ausgerüstet, fällt die Entscheidung zu Gunsten der Strecke. Die restlichen Tage unserer Pause widmen wir dem Carboloading und schliesslich dem grossen Einkauf. Jedes Kilo zählt in der Höhe doppelt bis dreifach. Vorsichtig versuchen wir den schmalen Grat zwischen „so leicht wie möglich und trotzdem genug Kalorien“ zu treffen. Vorbereitungen abgeschlossen.

Durchführung  Ein gewaltiger Rückenwind bläst uns über den Paso Sico nach Argentinien. Im trostlosen Pocitos füllen wir im kleinen Laden bereits entstandene Proviantlücken und versuchen noch ein paar Infos aus erster Hand zu bekommen. „Es gibt dort einen Weg?“ wundert sich die Senora im Laden, während der Senor auf dem Sanitätsposten unumwunden zugibt, dass er noch nie von dieser Strecke gehört habe. Willkommen zurück im Niemandsland der Puna. Die nächsten fünf Tage sehen wir keine Menschenseele.

Im Osten wird es langsam hell. Pastellfarben erwacht der Morgen. Die ersten Sonnenstrahlen werfen ein Muster aus Licht und Schatten an den Himmel, tasten zaghaft über die Berghänge, streichen vorwitzig über die struppigen Büschel des Punagrases. Von einem Augenblick zum nächsten explodieren die Farben. Das Gras in intensivem Gelb, in einem warmen Ocker der Lavaboden. Die dünne Eisschicht auf dem Rinnsal vor unserem Zelt schmilzt.

Marmorierte Berghänge. Ein Spiel mit Aquarellfarbe im Wasserglas. Rot, Orange, Gelb, Braun. Eine leichte Bewegung des Pinsels schafft neue Zwischentöne. Schlieren aus Farbmischungen, für die wir keine Namen kennen. Schwefelgelb? Oxidgrün? Kupferrot? Bodenschätze, die offen daliegen. Darüber spannt sich der indigoblaue Himmel der Hochanden.

Er spiegelt sich in den Ojos de agua, „Wasseraugen“, in denen Grundwasser hochsteigt. Das bisschen Nass bringt eine neue Farbe ins Spiel: Dunkelgrün - und damit zugleich Leben in die Einöde der Puna. Vicunas knabbern am zähen Gras. Aufmerksam zucken ihre Ohren, witternd heben sie die Nüstern in die Luft und schon stieben sie in wilder Flucht davon. Zurück bleibt eine Staubwolke und kleine Wellenkreise, die sich in den Ojos ausbreiten.

Türkisgrün leuchtet es weiter vorne im sandigen Grau des Kraters: Die Laguna El Diamante, in der riesigen Caldera des Vulkans Galan gelegen. Am Nachmittag drücken Gewitterstöcke aus dem Tiefland über den Kraterrand, die Farben verblassen und wir fahren durch eine entsättigte, monochrone Landschaft. Wolkenschatten hetzen über die Ebene wie ein hungriger Puma seine Beute. In der Ferne grollt dumpf der Donner.

Pink, eine ungewohnte Farbe in der Puna, doch da ist sie, sprenkelt das seichte Wasser der Laguna Grande mit kleinen Punkten. Um die 19'000 Andenflamingos haben sich diesen Ort als Brutplatz gewählt. Ihr leises Geschnatter erfüllt die Luft. Emsig staksen sie im Schlamm umher, bilden Gruppen, teilen sich und ziehen in Schwärmen übers Wasser. Der See scheint in ständiger Bewegung zu sein. Spiegelungen scharf wie Scherenschnitte. Ein heftiger Windstoss, zerzauste Federn. Die Konturen auf der Wasserfläche zerreissen und versinken im aufgewirbelten Schlamm.

Im Westen geht die Sonne unter. Der schwarze Kegel des Carachipampa wird von Schatten verschlungen. Zurück bleibt eine konturlose Leere, die sich bis zum Horizont ausdehnt. Seit einigen Stunden hat sich der feste Boden verabschiedet und wir schieben durch Sand. Der Wind dreht auf, bläst uns Vulkanasche und Steinchen um die Ohren. Es knirscht auf den Zähnen.

Seit Jahrmillionen fegt er über die Ebene hoch zum Paso de Buenaventura, winzige Basalt- und Quarzpartikel schmirgeln am weichen Tufstein, der wie ein verschüttetes Glas Milch vom Pass hinunterfliesst. Das Campo de Piedra Pomez: Blass liegt es in der Abenddämmerung zu unserer Linken. Der weisse Tuf reflektiert das letzte Tageslicht. Spalten und Abbrüche, Flächen und Linien. Ein versteinerter Gletscher, geboren aus Feuer, geformt von der Zeit. Wir suchen Schutz bei einem Felsen, verankern das Zelt mit Lavabrocken, warten, bis auch uns die Nacht einholt. Der Wind schläft ein. Stille. Über uns funkeln die Sterne.

Auswertung  Die letzte grosse Andenquerung, den Paso Pircas Negras nutzen wir um Abschied zu nehmen. Abschied von der Puna, den Sechstausendern, dem Wind. Abschied von den Anden und von Südamerika. Aber auch Abschied von dieser Art des Tourenfahrens. Die letzten beiden Monate in der Puna haben uns einmal mehr gezeigt, was uns Spass macht. Es sind nicht die Asphaltstrassen dieser Welt, sondern die Pisten und Trails. Deshalb werden wir von Chile aus für einen Monat in die Schweiz fliegen, um dort unsere schweren Tourenräder und die klassischen Taschen gegen eine Bikepackingausrüstung zu tauschen. Und danach warten eine Menge neuer Projekte.

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